Léa Breitschmid & Laura Morier-Genoud
Ex-tensions II

2022 | EDHEA | ACT 20th

Text von Pascale Grau:

Zwei Personen knien am Boden. Sie sind mit schwarzen Tüchern bis zu den Füssen bedeckt. Rund um sie ist ein Kreis aus Mehl gestreut. Dahinter sitzt und steht das Publikum. Musik wie eine elektronische Zither, bezeichnet den Anfang der Performance. Zwei Scheinwerfer erleuchten die Szene. Es sieht aus wie das Spiel zweier Kinder, die unter einem Tuch ein Pferd spielen, nur die vier Füsse schauen raus. Nun kommt Leben in ihre Füsse, bei einer mehr als bei der anderen. Wellenförmig an- und abschwellend, durchgehend. Im Mehlkreis entstehen Spuren, weil sie nun auch die Beine bewegen. Jetzt geben die Rücken Widerstand, ein Wiegen, eine Einheit, dann eher wie Kämpfen und Aufstehen oder wie ein grosser Wurm. Die Theatergruppe Mummenschanz kommt mir in den Sinn, sie feiert dieses Jahr ihr fünfzigjähriges Jubiläum. In den 80er Jahren erzählte die Gruppe mit amöbenhaften Figuren die sich in elastischen Stoffsäcken verbargen und sich darin bewegten, Geschichten ohne Worte. Jetzt sieht es aus wie ein Elefant, wie ein Ypsilon, wie ein Wurm oder ein T, während die Musik rhythmischer und dramatischer wird. Unruhe kommt im Publikum auf. Es dauert schon mehr als eine halbe Stunde. Manchmal legen die beiden ihre Köpfe gegenseitig auf die Schultern. Ich denke an Schlingpflanzen und an Eraserhead von David Lynch. Ich höre sie atmen, sind sie zusammengewachsen? Die Eine scheint die Bewegungsimpulse zu geben, die Andere reagiert darauf. Nach 45 Min schliesslich lösen sie sich voneinander und wanken wie zwei schwarze Kläuse auseinander. Ein gekräuseltes Band, das sie wie einen Nabelschnur verbindet, wird sichtbar. Die Musik wird nochmals intensiver, pulsierender und das Band gerät unter Spannung. Ob das Band reisst? Wer wird stärker sein? Beide beugen sich ausserhalb des Mehlkreises über die am Boden sitzenden Zuschauer. Jetzt ist das Publikum wieder hellwach. Dann wird die Musik leiser, das Band reisst immer noch nicht. Die Musik endet und damit die Performance, damit habe ich nicht gerechnet. Die Figuren bleiben in der Schwebe stehen, das Publikum wird gebeten den Raum zu verlassen.

Foto: Simon Schwarz

Foto: Simon Schwarz

Foto: Simon Schwarz